Interview
Die Weichen sind gestellt
Die neue Strategie von Bouygues Energies & Services in der Schweiz steht fest. Doch welche Auswirkungen wird sie für Kunden, Partner und Mitarbeitende konkret nach sich ziehen? Als Mitglieder der Geschäftsleitung haben Enzo Moliterni, CEO der Bouygues Energies & Services Schweiz AG (Facility Management) und Rudolf Meier, Geschäftsführer Bouygues E&S EnerTrans AG, die Strategie massgeblich mitgeprägt. Im Interview mit yES gewähren sie Einblick in die Hintergründe.
yES: Lieber Ruedi, Bouygues Energies & Services in der Schweiz hat die Unternehmensstrategie für die kommenden fünf Jahre definiert. Von welchen Überlegungen hat sich die Geschäftsleitung bei der Ausarbeitung leiten lassen?
Rudolf MEIER (RM): Wir haben uns an dem orientiert, was wir heute bereits erfolgreich umsetzen und haben überlegt, wie wir dieses Portfolio zukunftssicher gestalten und ausweiten können. Das heutige Kerngeschäft wird noch für lange Zeit unsere Hauptaktivität bleiben, aber neue Technologien und sich verändernde Kundenbedürfnisse sowie zunehmend strengere Vorgaben bzgl. CO2-Emissionen erfordern eine stetige Weiterentwicklung. So haben wir die beiden Stossrichtungen «Smart» und «Green» identifiziert.
yES: Es ist zurzeit viel vom Wandel und Umbruch die Rede, sei es in Bezug auf die digitale Transformation oder den Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Welche Rolle können Bouygues Energies & Services und seine Gesellschaften im Rahmen dieses Wandelungsprozesses einnehmen?
RM: Der Gebäudepark verursacht einen grossen Energieverbrauch in der Schweiz, nämlich 45 % des Endenergiebedarfs. In der Optimierung der Gebäudetechnik liegt daher ein wichtiger Hebel zur Reduktion des Energieverbrauchs. Nur vernetzte und intelligente Technologien erlauben eine derartige Optimierung und ermöglichen es, die verschiedenen Energieträger, wie z. B. Wärme und Strom, aufeinander abzustimmen. Dank unseren Multitec-Kompetenzen und unserer Erfahrung im Betrieb von Gebäuden ist Bouygues Energies & Services in der Schweiz geradezu prädestiniert, die verschiedenen Gewerke integral zu betrachten und miteinander zu verbinden und abzustimmen. Des Weiteren findet auch im Bereich der Infrastrukturen ein steter Wandel statt und die «Anzahl Bits pro verbautem Kilogramm» nimmt laufend zu – von der Planung über den Bau bis zum Betrieb.
yES: Lieber Enzo, «Green» ist ein zentraler Aspekt der neuen Strategie. Worauf liegt der inhaltliche Fokus bei dieser Stossrichtung? Was will Bouygues Energies & Services grüner gestalten und wie können die Kunden davon profitieren?
Enzo MOLITERNI (EM): Wir begleiten Geschäfts- und Privatkunden dabei, ihren Anteil an erneuerbarer Energie auszubauen, deren Verbrauch aber auch grundsätzlich zu reduzieren und effizienter zu gestalten. Wir werden unsere mit Abstand führende Marktposition im Bereich der Photovoltaik mit über 6000 realisierten Projekten in der Schweiz weiter ausbauen. Wir sind jedoch kein Produktelieferant, sondern verstehen uns als ein Lösungsprovider mit einem ganzen Ökosystem. Dies beinhaltet Wärmepumpen für das Ein- und Mehrfamilienhaus oder einen Wärmeverbund für Quartiere und Areale. Auch das Speichern von Energie spielt in unserem Ökosystem-Ansatz eine zentrale Rolle, ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Batterie- oder einen Wasserstoffspeicher handelt. Vor zwei Jahren haben wir den grössten Salzwasser- Stromspeicher in der Schweiz geplant und ausgeführt. Speicherlösungen ermöglichen einen hohen Eigenverbrauch aus erneuerbarer Energie und verbessern die Autonomie der Verbraucher (Konsumenten).
yES: Welche Bedeutung kommt den Speicherlösungen im Hinblick auf andere Geschäftszweige zu?
EM: Die Speicherkompetenz benötigen wir auch für unsere Dienstleistungen im Bereich der Elektromobilität. Namhafte Autohersteller und Immobilienfonds wie auch schweizweit tätige Arbeitgeber vertrauen auf unsere Erfahrung im Bereich der Elektromobilität. Die E-Mobilität verlangt zunehmend höhere Investitionen der Eigentümer. Wir begleiten unsere Kunden in diesem Prozess, von der Konzeption über die Planung bis zur Umsetzung – um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Unser Ökosystem-Ansatz funktioniert sowohl für das Einfamilienhaus mit einer intelligenten Verbrauchssteuerung wie auch in einem ECO-Quartier oder einem Industrieareal. Ein eigenes kompetentes Green-engineering-Team ist hierfür unerlässlich, um die Risiken zu beurteilen und entsprechende Garantien auszusprechen.
Der Gebäudepark verursacht einen grossen Energieverbrauch in der Schweiz, nämlich 45 % des Endenergiebedarfs. In der Optimierung der Gebäudetechnik liegt daher ein wichtiger Hebel zur Reduktion des Energieverbrauchs.
yES: Worin liegt der Mehrwert für Kundinnen und Kunden?
EM: Wir begleiten unseren Kunden über den gesamten Zyklus der Immobilie und nicht nur in der Konzeption und der Realisierung. Mit unserer Expertise im Facility und Property Management übernehmen wir auch den Betrieb von Immobilien. Besonders nachgefragt in der Sparte «Green» sind unsere Dienstleistungen in den Bereichen Energiemanagement, Messkonzepte, Betriebsoptimierung und Wertstofftrennung. Gerade Letzteres beinhaltet auch heute noch brachliegendes Potenzial. Es ist in erster Linie eine Frage der Betrachtungsweise, im Abfall den Wertstoff zu erkennen, diesen in einen Kreislauf zurückzuführen und in der richtigen Aufbereitung dafür Geld zu erhalten.
yES: Viele Unternehmen haben sich zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet. Worin unterscheiden sich die Absichten von Bouygues Energies & Services in der Schweiz von anderen Marktteilnehmern?
RM: Mit unserem Engagement, unsere Treibhausemissionen bis 2030 um mindestens 30 % zu reduzieren, haben wir uns in der Gruppe ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Für Bouygues Energies & Services ist dies nichts Neues, schon seit geraumer Zeit werden entsprechende Ziele gesetzt. Einzelne Geschäftsbereiche sind bereits seit Jahren im Bereich Energie und Umwelt zertifiziert und weiten diese Praxis rollend auf weitere Gebiete aus. Mit der in Kraft gesetzten CO2-Strategie der Gruppe erhält die Nachhaltigkeit ein noch grösseres Gewicht und durchdringt nun alle Unternehmensbereiche. Eine erste konkrete Massnahme stellt die schrittweise Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte dar. Dieses Projekt wurde 2020 gestartet und befindet sich nun in der Umsetzung. Auch auf der Einkaufsseite werden vorbereitende Massnahmen getroffen, um Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen zu können. So erhalten auch unsere Kunden die Möglichkeit, bewusst den ökologischen Fussabdruck zu beeinflussen. Auf Bundesebene belohnt das öffentliche Beschaffungswesen diejenigen Unternehmen, welche bei dem Erbringen ihrer Dienstleistungen und der eingesetzten Produkte einen tiefen CO2-Ausstoss verursachen – davon möchten wir profitieren und wir sind überzeugt, dass dies auch den Werkplatz Schweiz fördert.
yES: Welche Bedeutung hat das Kerngeschäft im Rahmen der neuen Strategie? Wird Bouygues Energies & Services in der Schweiz in der heutigen Form auch morgen noch operieren?
RM: Weder die Smart City noch das Smart Building werden in einem Tag gebaut. Vielmehr handelt es sich um langjährige Prozesse, beeinflusst von den technologischen Entwicklungen und den betrieblichen Erfahrungen mit den neuen Technologien. Nicht alles, was technisch möglich ist, bewährt sich betrieblich und stösst auf Akzeptanz. Am Ende des Tages wird es auch immer eine Installationsleistung brauchen, daher sind wir davon überzeugt, dass es die heutigen Kompetenzen auch in Zukunft brauchen wird! Die Art und Weise wird sich aber wandeln, Stichworte hierzu sind Vorfertigung, Baurobotik etc.
yES: Das zweite strategische Ansinnen trägt die Bezeichnung «Operational Excellence». Welche Themen und Überlegungen sind darin enthalten? Was dürfen die Leserinnen und Leser unter operativer Exzellenz konkret verstehen?
RM: Wie bereits erwähnt, haben wir uns bei der Entwicklung der Strategie stark am Ist-Zustand, also unseren heutigen Leistungen und Kompetenzen orientiert. Diese sind das Fundament unserer Strategie und definieren unsere Glaubwürdigkeit am Markt. Sie generieren uns auch die Mittel, um die stetige Weiterentwicklung finanzieren zu können. Es ist daher elementar, dass wir die Tätigkeiten in unserem Kerngeschäft beherrschen. Nicht nur technisch, sondern integral, d. h. in den Dimensionen Qualität, Zeit und Kosten. Hier wollen wir ansetzen, um uns entsprechend zu verbessern und unsere Mitarbeitenden zu befähigen, in diesen drei Dimensionen zu denken und zu wirken. Ein Beispiel ist die Ausbildungsinitiative im Bereich Baurecht, die zurzeit in allen Regionen durchgeführt wird. Ein weiteres wichtiges Element ist die Bereitstellung effizienter und integrierter IT-Tools für unsere Mitarbeitenden. Das ist ein dickes Brett, das es zu Bohren gilt!
yES: «Smart» ist die dritte und letzte strategische Stossrichtung. Was ist unter «smarten» Dienstleistungen zu verstehen?
RM: Smart bedeutet für uns bei Bouygues Energies & Services eine Steigerung des Nutzens einer Lösung durch Intelligenz. Häufig resultiert Smartness aus der Verbindung von Einzelelementen zu einem Ganzen, einem System. Ein gutes Beispiel dafür ist die von Bouygues Energies & Services entwickelte City Box, die es ermöglicht, eine bestehende Infrastruktur – nämlich die klassische Strassenbeleuchtung – nicht nur besser zu machen (z. B. durch das gezielte Dimmen), sondern ganz neue Nutzungen zu generieren, wie Videoüberwachung oder die Ladung von Elektrofahrzeugen.
yES: Wo sieht Bouygues Energies & Services in der Schweiz im Rahmen der eigenen Geschäftsstätigkeit Potenzial für smarte Lösungen?
RM: «Smartness» stellt einerseits eine natürliche Weiterentwicklung unserer bestehenden Dienstleistungen dar, andererseits ermöglicht «Smartness» aber auch den Eintritt in neue Geschäftsfelder wie z. B. das Endkundengeschäft im Bereich von Wärmepumpenlösungen oder der Smart City. Durch «Smartness» wird Kleinteiliges in einen grösseren Rahmen gestellt, was uns entgegenkommt.
Mit unserem Engagement unsere Treibhausemissionen bis 2030 um mindestens 30 % zu reduzieren haben wir uns in der Gruppe ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Für Bouygues Energies & Services ist dies nichts Neues, schon seit geraumer Zeit werden entsprechende Ziele gesetzt.
yES: Die neue Strategie hat einen Zeithorizont von rund 4 Jahren. Wo seht ihr Bouygues Energies & Services als Gruppe in 4 Jahren?
EM: Immobilien, Infrastrukturen und Mobilität sind auch in 4 Jahren noch für einen relevanten Teil des CO2-Ausstosses verantwortlich. Wir sehen uns als einen bedeutenden und attraktiven Arbeitgeber und Dienstleister der Schweiz. Als kompetenter und zuverlässiger Partner für die Energiewende rechnen wir mit einem überdurchschnittlichen Wachstum in den Bereichen Green und Smart auf dem Fundament unseres heutigen Kerngeschäfts. Ein Beispiel, das diese Prognose fundiert: Damit heutzutage in ein bestimmtes Unternehmen investiert wird und ein Investment als nachhaltige Kapitalanlage gilt, erwartet die Gesellschaft und damit der Markt, dass entsprechende ESG-Kriterien (Environmental Social Governance) erfüllt sind. Viele Unternehmen und Akteure tun sich jedoch schwer im Bereich «Environmental». Hier erzielen wir mit unserer Expertise einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Im Vergleich zu anderen Unternehmen sind wir in der Lage, mit unseren Dienstleistungen nicht nur unseren eigenen Fussabdruck zu verbessern, sondern mit unserem Ökosystem-Ansatz auch unsere Kunden in der Immobilien- und Finanzbranche wie aber auch in der Industrie auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit bei der Umsetzung ihrer Strategie zur Seite zu stehen und die Zeitspanne für die Zielerreichung wesentlich zu reduzieren. Dank dieser Ausgangslage und der Konstellation aus bestehendem Kerngeschäft und den Dienstleistungen rund um Green und Smart werden wir zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.